Allgemeines
Wenn die Polizei dich kontrolliert, auf die Wache mitnimmt oder sonst irgendwie mit dir in Berührung kommt, hast du ein umfassendes Recht auf Aussageverweigerung. Du solltest auf jeden Fall davon Gebrauch machen. Das Einzige, was du angeben musst, sind deine Personalien. Dazu gehört dein Vor- und Nachname, deine Meldeadresse, dein Geburtsdatum und deine grobe Beschäftigung (z.B. Studierendes oder Lohnarbeitendes, aber deinen Studiengang oder deine Firma musst du nicht nennen.). Diese Daten nicht zu nennen oder falsch anzugeben ist eine Ordnungswidrigkeit (111 OwiG).
Nachteile
Sie hat in der Regel eine Gewahrsamnahme (163b Abs. 1 Satz 2 StPO) und eine erkennungsdienstliche Behandlung (81b StPO) zur Folge. Beides kann emotional und körperlich belastend sein. Falls du dich dazu entscheidest und die ersten fünf Mal Erfolg hast, beim sechsten Mal aber identifiziert wirst, dann kommen sechs Strafverfahren auf einmal auf dich zu. Manche EAs und Rote-Hilfe-Ortsgruppen kommen mit Personalienverweiger_innen in der Gesa nicht zurecht oder sind nicht darauf vorbereitet. Bei besonders schweren Vorwürfen ist auch U-Haft mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr denkbar. (Faustregel ohne Garantie, dass das immer so ist: Wenn eine Mindesthaftstrafe im Raum steht, ist U-Haft bei Personalienverweigerung wahrscheinlich verhältnismäßig.). In manchen Bundesländern ist außerordentlich langer Gewahrsam möglich. Den Rekord hält Bayern mit bis zu zwei Monaten. In vielen Bundesländern geht der Gewahrsam bis spätestens Mitternacht des Folgetages, also maximal 47 Stunden. Der maximale und der wahrscheinliche Zeitraum sollte vorher – etwa über Rechtshilfegruppen – in Erfahrung gebracht werden.
Vorteile
Die Strafverfahren kommen auf jeden Fall auf dich zu, wenn du deine Personalien angibst. Viele Verfahren auf einmal erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass du über die Verrechnung in der Gesamtstrafe und über den Grundsatz, dass eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung (z.B. weil du in Berufung gehst) nicht straferschwerend in anderen Verfahren berücksichtigt werden dürfen, am Ende zu einer geringeren Gesamtstrafe. Außerdem besteht eine gute Chance, dass es überhaupt nicht zu Strafverfahren kommt, du also straffrei ausgehst. Man hat mit Personalienverweigerung eher Erfolg, wenn möglichst viele mitmachen. Die Polizei kann von 200 Personen vielleicht noch Personalien aufnehmen, aber sicher keine 200 Personen in die Gesa mitnehmen und ED-behandeln. Wenn du also Personalien verweigerst, erhöhst du damit die Wahrscheinlichkeit, dass marginalisierte Personengruppen unerkannt aus der Aktion rauskommen. Wenn du Angehöriges einer marginalisierten Gruppe bist, etwa, weil du keinen deutschen Pass hast, ist Personalienverweigerung unter Umständen deine einzige Chance, straffrei davon zu kommen. Weißen Menschen mit deutschen Pass droht vielleicht eine Verurteilung zu ein paar hundert Euro Strafe. Migrantisierten Menschen ohne deutschen Pass droht vielleicht die Abschiebung mit sechs Monaten Abschiebehaft. Diese Perspektive muss in der Entscheidung für oder gegen Personalienverweigerung berücksichtigt werden. Wir empfehlen Personalienverweigerung ausdrücklich, und das nicht nur für Massenaktionen.
Techniken der Polizei
Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung werden in der Regel deine Fingerabdrücke genommen (inzwischen meistens mit elektronischem Scanner, obwohl manche Dorfpolizeien immernoch Tinte und Papier verwenden) und Bilder von deinem Gesicht gemacht. Wenn du auffällige Tattoos oder Narben hast (und die Polizei das bemerkt), dann werden auch davon Bilder gemacht. Wenn die Polizei besonders gründlich ist, dann wiegt und misst sie dich auch.
Wie kannst du identifiziert werden?
Besondere Sorgen sollten uns die Bilder vom Gesicht machen. Über Narben oder Fingerabdrücke kann man dich bestenfalls mit vergangenen Personalienverweigerungen in Verbindung bringen, aber selten mit deiner tatsächlichen Identität. Deine Fingerabdrücke sind auf deinem Personalausweis gespeichert, aber nirgendwo, wo die Polizei sie abrufen kann. Dein Gesicht ist auf deinen Social Media Profilen und Fotos in der Presse. Es ist in verschiedensten staatlichen Datenbanken abgespeichert. Unsere Erfahrungen mit dem Thema vor Gericht haben bisher ausschließlich Identifizierungen über Fotos vom Gesicht gezeigt, und noch nie über Fingerabdrücke oder Narben. In der Regel geschieht das über Abfragen in Polizeidatenbanken (s.u.), manchmal auch über Social Media Hashtags oder Pressemeldungen.
Wie können wir uns auf die Personalienverweigerung vorbereiten?
Hierzu empfehlen wir ein Aktionstraining. Fehler können abschrecken oder schmerzhaft enden, und wenn wir öffentlich teilen, womit genau wir uns denn nun die Fingerabdrücke abkleben, dann macht es das der Polizei umso leichter, ein Lösungsmittel zu finden. Lokale Ende Gelände- und Antifa-Ortsgruppen bieten regelmäßig Aktionstrainings an. Die Leute von bikodirekt, Zucker im Tank oder skills4action fahren zu euch in die Stadt und halten eines, wenn Ihr ihnen eine Mail schreibt.